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Freitag, 23 September 2016 16:15

Von Schmidt bis Kempowski

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Schriftsteller Gerhard Henschel (rechts) und Fotograf Gerhard „Kromo“ Kromschröder stellen ihr durchaus amüsantes Wandertagebuch durch die Lüneburger Heide im Rahmen des Literaturfestes Niedersachsen vor vielen Literaturfreunden im Haus Kreienhoop vor. Schriftsteller Gerhard Henschel (rechts) und Fotograf Gerhard „Kromo“ Kromschröder stellen ihr durchaus amüsantes Wandertagebuch durch die Lüneburger Heide im Rahmen des Literaturfestes Niedersachsen vor vielen Literaturfreunden im Haus Kreienhoop vor. Hellwig

Gerhard Henschel und Gerhard Kromschröder stellen ihre Landvermessung in Nartum vor

Bericht aus der Zevener Zeitung vom 23.9.2016 von Frauke Hellwig

Schriftsteller Gerhard Henschel und Fotograf Gerhard „Kromo“ Kromschröder begaben sich im vergangenen Jahr für zehn Tage auf eine Entdeckungsreise durch die Lüneburger Heide – von Bargfeld bis nach Nartum. Von dieser ungewöhnlichen Landvermessung in Wanderstiefeln, immer auf den Spuren von Arno Schmidt und Walter Kempowski, erzählten sie nun beim Literaturfest Niedersachsen im ausverkauften Haus Kreienhoop.

Das Literaturfest Niedersachsen, das von der VGH-Stiftung und regionalen Organisatoren veranstaltet wird, steht in diesem Jahr unter dem Motto: Leidenschaft. Und genau diese muss Gerhard Henschel und Gerhard Kromschröder angetrieben haben, zehn Tage lang über 160 Kilometer auf Schusters Rappen durch die Lande zu ziehen. Auf ihrer Wanderschaft durch die Lüneburger Heide durchquerten sie auf idyllischen Wegen schattige Wälder, den größten Truppenübungsplatz Europas und offene Heideflächen, bewegten sich zwischen industrialisierten Äckern, wanderten durch Kleinstädte und betonierte Gewerbegebiete, querten fast lebensbedrohliche Asphaltpisten, besuchten die Gedenkstätte Bergen Belsen und verloren sich fast im Dunkel der Einöde zwischen Dörfern und deren noch kleineren Ortsteilen.

Ihre Erlebnisse hielten sie in einem vielschichtigen und gleichzeitig amüsanten Tagebuch aus spontanen Notizen, Gesprächsprotokollen und ungeschönten Fotografien fest. Das Resultat wurde mit allerlei kulturhistorischen Abschweifungen und Ausführungen bekannter und weniger bekannter Schriftsteller ergänzt.

Wer jetzt einen lauschigen Reisebericht mit Bildern von weiten Heidelandschaften, Schafherden und sanften, in leuchtendes Violett getauchten Hügel erwartet hatte, lag also falsch. Denn das Tagebuch berichtete eher von Begegnungen mit ganz normalen Menschen, die dabei aber keineswegs außergewöhnlich oder gar denkwürdig daher kamen, und vermutlich in dieser Form in einem normalen Reisetagebuch niemals einen Platz gefunden hätten.

Doch den Autoren gelang es, diese Personen auf humorvolle Weise in ihr Buch einzuflechten. Sie fanden auch einen schier unglaublichen Schatz an literarischen Ausführungen, angefangen von Arno Schmidt, an dessen ehemaligem Wohnort die Tour begann, bis hin zu Walter Kempowski aus Nartum, wo der Spaziergang endete.

Doch auch Annette von Droste- Hülshoff, Hermann Löns und andere Schriftsteller, Dichter und Denker, die sich mit Aussprüchen, Versen, Berichten, Anklagen oder Enthüllungen zu Wort gemeldet haben, begleiteten die Wandervögel auf ihrem Weg. Dabei belebten Gerhard Henschel und Gerhard Kromschröder ihr Buch durch ihre amüsante, heitere, manchmal auch etwas spöttische, dabei aber gänzlich unprätentiöse Blickrichtung, die so gut wie alles aufsog, was ihnen in die Quere kam.

Aus diesen unterschiedlichen Komponenten schufen sie ein kurzweiliges Werk, das der heutigen Gesellschaft einen Spiegel vorhält, aber auch mit einer gehörigen Portion an literarischem Tiefsinn aufwartet – und das Publikum im Haus Kreienhoop immer wieder hell auflachen ließ.

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Frank Jagels