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Donnerstag, 28 Februar 2019 21:21

Nette tritt in jedes Näpfchen

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Karen Duve liest im Haus Kreienhoop in Nartum aus ihrem neuen Roman – Zuhörer sind angetan

Bericht aus der Zevener Zeitung vom 28.2.2019 von Bernhard Jung

Die Kempowski-Stiftung Haus Kreienhoop hatte am Dienstagabend in Zusammenarbeit mit Radio Bremen wieder einmal eine hochkarätige Schriftstellerin zu Gast. Vor vollem Haus las Karen Duve aus ihrem historischen Roman „Fräulein Nettes kurzer Sommer“

„Ihr Flaus ist schäbig, stinkt und zeigt ihre Armut“, das sind keine freundlichen Worte, besonders wenn sie aus dem Munde eines adligen Fräuleins im Jahre 1817 kommen. Das tut ihr zwar leid, aber dann verrät Nette dem Angegriffenen auch noch, dass sie diesen Tipp zur Kränkung von einem Onkel bekommen hätte. Sie lässt wirklich kein Fettnäpfchen aus. „Fräulein“ war er für junge, unverheiratete Frauen über Jahrhunderte ein Begriff für bescheidene Zurückhaltung. Fräulein Nette, die Hauptperson im neuen Roman von Karen Duve, ist aber gar nicht immer nett und zurückhaltend, störrisch und vorlaut ist sie, das schwarze Schaf der Familie. Und das bringt diesem Fräulein, das zudem noch von Adel ist, mächtig Probleme ein. Duves Roman beschreibt auch die Zeit des Wandels und der illustren Dichter-Gesellschaft von Göttingen, wo sich Heine, die Gebrüder Grimm und der Dichter Kotzebue tummeln.

diese Bluttat wird in Duves Roman anschaulich beschrieben. Es war eine Zeit des Umbruchs, von revolutionären Gedanken und Nationalstolz. „Fräulein Nettes kurzer Sommer“ ist ein autobiografischer Roman, eine Hommage an Annette von Droste-Hülshoff, die einem der ältesten Adelsgeschlechter Westfalens entstammt. Zu Lebenszeiten unbekannt, wurde Droste-Hülshoff später zur wohl bedeutendsten Schriftstellerin des 19. Jahrhunderts. 15 Jahre Erfahrung als Taxifahrerin, das hat Karen Duve allerhand Lebenserfahrung eingebracht. Locker und frech wie ihre Romanfigur Fräulein Nette, so ist auch der Schreibstil in ihren Büchern, die stets die oberen Plätze in den Bestseller-Listen erreichen.

Duve lebt ihre Romanfiguren und die damalige Zeit. Wie bei einem Profiler der Kripo befinden sich an ihrem Schreibtisch zahlreiche Dokumente von ihren Protagonisten und der Epoche um 1817. Und dann steigt sie in ihr Auto und staunt über dieses Ding, da ist Duve wieder zurück im 21. Jahrhundert.

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Frank Jagels