Zeitzeugen und Weggefährten Walter Kempowskis zitieren aus den Werken des Schriftstellers
Bericht aus der Zevener Zeitung vom 7.10.2017 von Bernhard Jung
Da hatten sich die Kempowski-Stiftung Haus Kreienhoop und die Gäste einiges vorgenommen an diesem Nachmittag in Nartum. Anlass war der zehnte Todestag des Schriftstellers Walter Kempowski. Keine großen Laudatio-Reden gab es, man ließ Kempowski vielmehr selbst zu Worte kommen, indem aus seinen Werken vorgetragen wurde.
Ehrenbürger von Rostock ist er, ein Querkopf war er und schreiben konnte er. Walter Kempowski war ein großer Sammler und Schreiber. Er wurde ins Gefängnis gesteckt und als großer Schriftsteller weltweit geachtet.
Es hatte etwas von einem Familientreffen an diesem stürmischen Herbstnachmittag. Und in ihrer eigenen Art familiär begrüßte auch die Hausherrin Hildegard Kempowski die Gäste. Sie wunderte sich zunächst, warum denn Katrin Möller-Funck, die Geschäftsführerin der Stiftung, die doch alles so genial organisieren kann, so aufgeregt war wegen dieser Veranstaltung.
Sie selbst sah es da wohl recht gelassen und ja, ihr Mann Walter, das war ein Planer und er hat vorausgedacht. Alles sollte seine Ordnung haben, in diesem Sinne wurde auch das Haus Kreienhoop, Wohnung und ein lebendiges Museum zugleich, gebaut und die Stiftung gegründet.
Auch Sicherheit war ihm ein Bedürfnis. Sein Beruf als verbeamteter Lehrer erlaubte es ihm, sich seiner Leidenschaft, der Schriftstellerei, zu widmen. Akribisch und fleißig, das war er, besonders sein größtes Werk „Echolot“ ist Geschichte, so gut erzählt, wie es Historiker wohl nicht können.
Walter Hirche, ehemals Wirtschaftsminister in Niedersachsen und Mitgründer der Kempowski- Stiftung, begann dann doch mit einer kleinen Laudatio für seinen Weggefährten Walter, bevor er aus dem „Echolot“ vortrug. Es folgten von Freunden und Weggefährten über fast vier Stunden zahlreiche Vorlesungen aus den Werken des Schriftstellers. Und das war zu keiner Minute langweilig.
Kempowski, Sohn eines Rostocker Reeders, wurde aus den Kriegswirren „ausgespuckt“, lebend zwar, aber noch nicht davongekommen. 1948 wurde er zusammen mit seiner Mutter und seinem Bruder verhaftet und wegen angeblicher Spionage für die USA von den russischen Besatzern seiner Heimatstadt Rostock angeklagt. Es war die Zeit des Kalten Krieges, da musste man aufpassen, und als Spross einer Unternehmerfamilie wurde er in der damaligen sowjetischen Besatzungszone besonders argwöhnisch beobachtet. Nach acht Jahren Haft in Bautzen kam er schließlich frei und ging nach Hamburg und später nach Göttingen. In Nartum fand er dann seine zweite Heimat, auch wenn Rostock wohl immer der Ort seiner Sehnsucht blieb. Kein Goethe oder Tolstoi war Kempowski, keine „schwere Kost“, eher ein Volksschriftsteller, ungekünstelt und direkt, aber keiner der leichten Muse. Er konnte in seinen akribischen Erzählungen von alltäglichen Dingen Geschichte lebendig und für jeden Leser zugänglich machen, das wurde an diesem Nachmittag deutlich. Zeitzeugen erinnerten sich beim Lesen: „Ja, so war es“. Vor zehn Jahren ist er gestorben, aber er wird in seinen Büchern über viele Generationen weiterleben und den Leuten erzählen, wie es so war, das Leben damals in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
„Alles umsonst“ heißt einer seiner Romane, der die Kriegszeit beschreibt. Nichts von dem ist umsonst, was Walter Kempowski seiner Nachwelt hinterlassen hat.
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