Montag, 16 Oktober 2017 18:26

Forscher im Haus Kreienhoop

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Carolin Krüger und Markus Schenzle referieren auf Einladung der Kempowski-Stiftung und der Universität Rostock während des Seminars im Haus Kreienhoop über das Kempowski- Buch „Mark und Bein“. Carolin Krüger und Markus Schenzle referieren auf Einladung der Kempowski-Stiftung und der Universität Rostock während des Seminars im Haus Kreienhoop über das Kempowski- Buch „Mark und Bein“. Jung

Literaturwissenschaftler aus Heidelberg, Innsbruck und Rostock debattieren über „Mark und Bein“

Bericht aus der Zevener Zeitung vom 16.10.2017 von Bernhard Jung

Literaturwissenschaftler waren Gäste im Hause Kempowski in Nartum. Eingeladen hatten die Kempowski-Stiftung und die Universität Rostock zu einer „Nachwuchstagung“. Anhand des Buches „Mark und Bein“ wurde über die Schreibund Ausdrucksweise von Walter Kempowski doziert und diskutiert.

Dass die Literatur von Walter Kempowski auch Gegenstand wissenschaftlicher Forschung ist, ist nicht jedem Leser bekannt. Aus Heidelberg, Innsbruck und natürlich Rostock kamen die Germanisten und Literaturexperten angereist. Allen gemein war die Literatur, insbesondere die von Walter Kempowski. „Kempowski“, der ist doch recht leicht zu lesen, unterhaltsame, locker erzählte Geschichten aus dem Leben vergangener Jahre.

Nun fragt sich der Laie, was soll man daran wissenschaftlich untersuchen, man versteht doch alles? Kempowski bedient sich ja augenscheinlich einer volkstümlichen Sprache, die für jedermann verständlich ist und auch die Redewendungen und Zitate erscheinen bodenständig zum Teil auch frech-amüsant.

Aber seine Redewendungen meinen ja oft das Gegenteil von dem was da geschrieben steht und wenn er schreibt „Uns geht es ja noch Gold“ meint er nicht mehr als „wir haben überlebt in diesem Krieg“. Goldige Zeiten sehen wohl anders aus als in dieser Nachkriegszeit. Der Ernst der Lage versteckt sich dann schon mal hinter lockeren Sprüchen. Ironie bis hin zum Sarkasmus sind in diesen so genannten Phrasen zu finden, sie ziehen sich durch sämtliche Bücher von Walter Kempowski und sie regen den aufmerksamen Leser zum Nachdenken an.

Nicht alles serviert der Autor Kempowski „fertig auf dem Tablett, er lässt in seinen Romanen durchaus Spielraum für eigene Interpretationen. Sie waren auch Gegenstand dieses Seminars über seinen Roman „Mark und Bein“ .

Jonathan Fabrizius, Journalist in Hamburg, erhält kurz nach dem Fall der Mauer den Auftrag, nach Ostpreußen zu reisen. Keine große Lust hat er zunächst dazu, dieses Land ist ihm fremd. Es ist für ihn aber auch eine Reise in die Vergangenheit, seine Heimat. Die Mutter ist dort gestorben, „ging dabei drauf“ wie Kempowski den Jonathan sagen lässt, der Vater im Krieg gefallen.

Jonathan Fabrizius akzeptiert dann doch den Auftrag und nimmt seine Vorurteile gleich mit. „Zu wenig Farbe und zu viel alte Geschichten vom Krieg.“ Doch auf das, was ihn dann in Polen erwartet, ist er nicht vorbereitet. Denn die Vergangenheit ist nicht vergangen, die Wunde nicht verheilt. Der Begriff Heimat und menschliche Grausamkeiten kommen wieder zum Vorschein. Gedanken zur Flucht vor der russischen Armee und die Frage nach der Schuld kommen auf.

Der Journalist wird mit der eignen und der gesamtdeutschen Vergangenheit konfrontiert. Das geht durch „Mark und Bein“. Hier behandelt Kempowski wieder einmal sein Lieblingsthema, die deutsche Nachkriegsgeschichte. In der Forschung fand dieser Roman bisher wenig Beachtung, das sollte sich an diesem Wochenende in Nartum ändern.

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