Haus Kreienhoop in Nartum: Im ersten Halbjahr fallen voraussichtlich alle Veranstaltungen aus
Bericht aus der Zevener Zeitung vom 20.03.2020 von Joachim Schnepel
Still und verlassen liegt es da, das Haus Kreienhoop in Nartum, ehemalige Wohn- und Arbeitsstätte des 2007 verstorbenen Schriftstellers Walter Kempowski und seiner ebenfalls im vergangenen Jahr verstorbenen Ehefrau Hildegard. Das liegt nicht nur daran, dass das Haus Kreienhoop derzeit nicht bewohnt ist, sondern natürlich auch und vor allem am grassierenden Coronavirus.
„Ich räume auf“: Diese Antwort gab Dr. Katrin-Möller Funck, Geschäftsführerin der Kempowski- Stiftung Haus Kreienhoop und des Kempowski-Archivs Rostock, auf die Frage, was sie denn gerade tue, als die ZZ sie an ihrem Arbeitsplatz in Rostock erreichte. Auch dieses Archiv hat natürlich geschlossen. Nichtsdestotrotz kann Katrin Möller-Funck die Zeit sinnvoll nutzen: Es sei jede Menge Papierkram zu erledigen, wie sie am Telefon verriet. Dazu gehörten Sachen, zu denen sie jahrelang nicht gekommen sei und für die jetzt unverhofft Zeit da ist.
Auch ihre Mitarbeiter sind offensichtlich anwesend, so ist im Hintergrund munteres Stimmengewirr zu vernehmen. Die Laune ist bei allen, die da sind, offensichtlich gut – noch. Zum Glück gibt es noch keine Krankheitsfälle unter den Archiv-Mitarbeitern, von denen einige auch im Homeoffice arbeiten, und eine Ausgangssperre ist in „Meck-Pomm“ derzeit auch nicht in Sicht. Das allerdings könnte sich nicht nur dort sehr bald ändern, wenn die Zahl der Corona-Neuinfektionen weiter so rasant ansteigt wie bisher.
Was Katrin Möller-Funck umtreibt und der Literaturexpertin Sorgenfalten auf die Stirn treibt, ist etwas ganz anderes: Die regelmäßigen Literaturnachmittage und alle weiteren geplanten Veranstaltungen der Kempowski- Stiftung Haus Kreienhoop fallen bis auf Weiteres, vermutlich aber im gesamten ersten Halbjahr 2020 aus. Und das ist für sie und ihre Mitarbeiterinnen in Nartum, die TouROW-Gästeführerinnen Irmela von Lenthe und Alinda van der Vooren-Tralau schon ein Schlag ins Kontor, zumindest finanziell. Die Literaturnachmittage gibt es seit mehr als zehn Jahren. Sie finden mehrmals im Jahr, etwa einmal pro Monat in der Sommersaison statt. Sie widmen sich mit einer Lesung dem Werk Walter Kempowskis und werden in Zusammenarbeit mit dem Touristikverband TouROW organisiert.
Maximal können 60 Personen dabei sein; die Teilnahmegebühr beträgt 25 Euro. Die Veranstaltung startet jeweils mit Kaffee und Kuchen im „Nartumer Hof“. Eine der beiden Gästeführerinnen führt während der Kaffeetafel in Leben und Werk Walter Kempowskis ein.
Im Anschluss findet eine gemeinsame Fahrt zur Kempowski- Stiftung Haus Kreienhoop statt, wo dann eine Lesung aus den Werken von Walter Kempowski erfolgt. Es liest eine Stiftungsmitarbeiterin, ein befreundeter Autor oder ein Überraschungsgast. Im Anschluss an die Lesung ist ein Gespräch möglich. Außerdem wird eine Besichtigung von Haus und Archiv angeboten. Mehrere tausend Gäste haben sich dieses besondere Kulturerlebnis im Lauf der Zeit gegönnt und sind dabei immer auf ihre Kosten gekommen. Viele sind denn auch „Wiederholungstäter“, was die Literaturnachmittage angeht. Bis zu ihrem Tod im August 2019 hat Hildegard Kempowski übrigens die überwiegende Anzahl der Literaturnachmittage selbst gestaltet.
Zurück zur Stiftung: Der fehlen jetzt, natürlich, die Einnahmen. „Für uns als Stiftung ist das schon furchtbar, besonders für die Anlage des Stiftungsvermögens“, sagt Katrin Möller-Funck, wobei sie auf die derzeit verrückt spielenden Aktienmärkte anspielt. Doch Corona wirbelt alles durcheinander. Das gilt auch für die Lesungen namhafter Autoren sowie die wissenschaftlichen Tagungen von Literaturexperten im Haus Kreienhoop, die normalerweise ordentlich Geld in die Kasse spülen. Diese Quellen sind nunmehr vorerst versiegt. „Dabei hatte ich mich so auf Harald Welzer gefreut“, lässt sich Möller-Funck entlocken. Der Soziologe, Sozialpsychologe und Publizist sollte eigentlich in diesem Jahr im Haus Kreienhoop lesen; war zumindest angefragt. Ob noch etwas aus der Lesung wird, ist derzeit völlig unklar, wie so vieles in diesen verrückten Corona-Zeiten.